HBIM hat sich in den letzten Jahren als innovatives Werkzeug etabliert, das die Dokumentation, Analyse und Verwaltung von Kulturerbestätten revolutioniert. Mit seinen Wurzeln im klassischen Building Information Modelling (BIM) geht HBIM über die rein geometrische 3D-Modellierung hinaus, indem es historische, semantische und materielle Daten integriert. Diese Methodik eröffnet der Archäologie neue Perspektiven, indem sie technologische Präzision mit der Komplexität historischer Interpretation verbindet.
Die traditionelle archäologische Praxis war oft durch zerstörerische Ausgrabungsmethoden und fragmentierte Dokumentation gekennzeichnet. HBIM bietet einen Ansatz, der Daten nicht nur speichert, sondern auch analysiert, visualisiert und für zukünftige Generationen bewahrt. Gerade in der Archäologie, wo der Kontext von Funden entscheidend ist, stellt HBIM einen Paradigmenwechsel dar.
Was ist HBIM?
HBIM ist eine spezialisierte Erweiterung von BIM, die speziell für historische und kulturelle Gebäude entwickelt wurde. Der Fokus liegt nicht nur auf der Geometrie, die digitale Technologien wie Laserscanning, Photogrammetrie und Punktwolkenverarbeitung nutzt, und den Materialien der Gebäude, sondern auch auf den historischen Informationen:
Historische Informationen: Integration von Texten, Plänen, Dokumenten, Bauphasen, archäologischen Interpretationen und kulturellen Kontexten.
Semantische Daten: Detaillierte Beschreibungen von Baumaterialien, Zuständen und Schäden sowie Nutzungskontexten.
Dynamische Nutzung: Ermöglicht Bauphasenanalysen und virtuelle Rekonstruktionen.
Der HBIM-Workflow umfasst mehrere Schritte:
Datenerfassung: Terrestrisches Laserscanning (TLS) für Punktwolken, Photogrammetrie und UAV-basierte Technologien bilden die Grundlage.
Datenverarbeitung: Punktwolken werden segmentiert, modelliert und mit Metadaten angereichert.
Echte Orthofotos werden aus den Bilddaten für die metrisch genaue Schadensanalyse erstellt.
Modellierung: Die parametrische Modellierung ermöglicht die Erstellung intelligenter Objekte.
Datenmanagement: Integration offener Standards wie IFC für Interoperabilität.
Automatische Erkennung und Vermessung von Rissen und Materialschäden mithilfe des HED-Modells (Holistically Nested Edge Detection).
Statistische Analyse der Schäden (z. B. Fläche, Ausmaß, Typologie) und Integration in das HBIM.
Die Bedeutung von HBIM in der Archäologie
Der Einsatz von HBIM hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt, ist jedoch noch nicht vollständig etabliert.
HBIM bietet jedoch erhebliche Vorteile für die archäologische Forschung:
Dokumentation: Präzise digitale Modelle bewahren den aktuellen Zustand eines Gebäudes.
Analyse: Anhand von Modellen können Baumaterialien, strukturelle Belastungen und Bauphasen analysiert werden.
Rekonstruktion: Hypothetische Modelle ermöglichen die Visualisierung verlorener Bauphasen oder ursprünglicher Entwürfe.
Konservierung: Daten unterstützen die Entwicklung nachhaltiger Restaurierungspläne.
Öffentlichkeitsarbeit: HBIM kann durch immersive Technologien wie AR/VR einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Stand der Forschung und Praxis
Die Anwendung von HBIM befindet sich derzeit in einer Entwicklungsphase. Mehrere wichtige Fallstudien zeigen jedoch das Potenzial dieser Technologie:
Stadtmauern von Pisa: Automatisierter Workflow zur Erstellung eines umfassenden Modells, das sowohl Geometrien als auch Materialzustände dokumentiert.
Casa de Pilatos, Sevilla: Integration von TLS und parametrischer Modellierung zur Erfassung komplexer Geometrien.
AlDeir-Monument, Petra: Kombination von Deep Learning und HBIM zur Schadensanalyse und Erstellung neuer parametrischer Bibliotheken.
Trotz dieser Fortschritte ist die Anwendung aufgrund technologischer, finanzieller und methodischer Herausforderungen oft auf Pilotprojekte beschränkt.
Chancen durch HBIM
Verbesserte Entscheidungsfindung: Durch die Integration von Geometrie- und Semantikdaten bietet HBIM eine solide Grundlage für fundierte Restaurierungsentscheidungen.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit: HBIM erleichtert die Zusammenarbeit zwischen Architekten, Historikern, Archäologen und Ingenieuren.
Öffentliche Kommunikation: VR/AR-Anwendungen machen HBIM-Modelle für Museen, Bildungseinrichtungen und die Öffentlichkeit zugänglich.
Herausforderungen und Probleme
Technologische Hindernisse:
Die mangelnde Standardisierung erschwert den Datenaustausch.
Die Erstellung komplexer Modelle erfordert spezielle Software und technisches Fachwissen.
Bestehende BIM-Bibliotheken sind für moderne Gebäude konzipiert und decken die komplexen, unregelmäßigen Strukturen historischer Architektur nicht ab.
Manuelles Modellieren und Schadenserkennung sind zeitaufwändig und subjektiv.
Finanzierung und Ressourcen:
Hohe Kosten für Hardware, Software und Personal beschränken die Anwendung auf gut finanzierte Projekte.
Datenqualität:
Fehlende oder ungesicherte Datenquellen, insbesondere für zerstörte oder stark verwitterte Gebäude.